Medizinische Gutachter im Rentenverfahren

Im Rentenverfahren geht es leider nicht nur um juristische Fragestellungen, sondern auch um medizinische. Konkret geht es in medizinischer Hinsicht darum, ob der Rentenantragsteller wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig, also ob der Betroffene erwerbsgemindert ist und wenn ja, inwieweit.

Diese medizinische Fragestellung kann weder der Sachbearbeiter der Rentenbehörde im Antrags- oder Widerspruchsverfahren, noch der Richter am Sozialgericht im Gerichtsverfahren aus eigenem Wissen beantworten. Nachdem den Angaben des Rentenantragstellers bzw. dessen Ärzten in der Regel nicht allzu viel Glauben geschenkt wird und weder der Sachbearbeiter noch später der Sozialrichter Mediziner sind, muss zusätzlicher Sachverstand hinzugezogen werden, in Gestalt eines Gutachters bzw. – rechtlich korrekt formuliert – eines medizinischen Sachverständigen.

Für Rentenantragsteller kann die Einschaltung eines Sachverständigen Fluch und Segen sein. Ein Segen, wenn er die medizinischen Rentenvoraussetzungen bestätigt, da Rentenversicherung und Behörde seiner Einschätzung regelmäßig folgen. Aus den gleichen Gründen, wenn er, wie gerade im Antrags- und Widerspruchsverfahren häufig, die Voraussetzungen verneint.

Kommt der Sachverständige in seinem Gutachten zu einem für den Rentenantragsteller ungünstigen Ergebnis, gilt es, sich nicht entmutigen zu lassen. Ziel muss es derartigen Konstellationen sein, ein weiteres Gutachten zu erhalten, das dann das Vorliegen der medizinischen Rentenvoraussetzungen bestätigt. Dies kann im Widerspruchsverfahren möglich sein, vor allem aber dann in einem Sozialgerichtsverfahren.

Das Vorliegen der medizinischen Rentenvoraussetzungen durch weitere Sachverständigengutachten zu beweisen, ist vor allem deshalb möglich und macht vor allem deshalb Sinn, weil nicht alle Gutachten gut oder alle Gutachter kompetent sind. Ein anderer Gutachter kann ohne Weiteres zu einem anderen Ergebnis kommen. Besonders bei psychiatrischen Gutachten ist dies immer wieder zu beobachten.

Wichtig zu wissen ist, dass ärztliche Gutachten so objektiv wie möglich sein müssen und so wenig subjektiv wie möglich. Erst recht nicht darf ein Gutachten zu willkürhaften Schlüssen kommen. Dies funktioniert relativ gut, soweit es um objektiv messbare oder feststellbare Beschwerden geht, etwa im orthopädischen oder kardiologischen Bereich. Nicht ganz so gut funktioniert es leider, soweit es um objektiv nicht messbare oder nicht feststellbare Beschwerden geht, etwa bei psychischen Erkrankungen oder Schmerzerkrankungen. Um auch in diesen Bereichen eine möglichst objektive und transparente Entscheidung treffen zu können, haben sich in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung gewisse Qualitätsanforderungen herausgebildet, die die Sachverständigen zu beachten haben. Ebenso gibt es Begutachtungsrichtlinien und Leitlinien verschiedener medizinischer Fachgesellschaften, die versuchen die Begutachtung zu objektivieren, einheitlich und transparent – und damit nachprüfbar – zu gestalten.

Zudem ist in der Praxis leider immer wieder zu besorgen, dass nicht alle Gutachter neutral und unvoreingenommen agieren, wie es eigentlich sein sollte. Vielmehr scheint sich das Gutachtensergebnis bedauerlicherweise oft eher am Interesse des zahlenden Auftraggebers zu orientieren als am Gesundheitszustand des Versicherten.

Im sozialgerichtlichen Verfahren steht dem Versicherten eine sehr effektive Möglichkeit zur Verfügung, um ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten zu erhalten – das Gutachten nach § 109 SGG.

Auf Antrag des Versicherten muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden (§ 109 Abs. 1 S. 1 SGG).

Solche Gutachten, bei denen der Versicherte den Arzt frei wählen kann, also sowohl die Person als auch die medizinische Fachrichtung bestimmen kann, haben schon in vielen sozialgerichtlichen Verfahren zu positiven Wendungen geführt und Rentenbezüge – entgegen anders lautender Vorgutachten – noch ermöglicht. Besonders im neurologischen/psychiatrischen Bereich sind Gutachten nach § 109 SGG immer wieder der Schlüssel zum Erfolg im Sozialgerichtsprozess und damit der Schlüssel zum Rentenerfolg!

 

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