Bedeutung von „Reha vor Rente“
Im Sozialrecht, konkret im Rentenrecht, begegnen viele Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben, dem Grundsatz „Reha vor Rente“. Dieser Leitgedanke spielt eine entscheidende Rolle bei der Beantragung und Gewährung von Erwerbsminderungsrente und wird von den Rentenversicherungsträgern oft und gerne zitiert, um die Ablehnung von Rentenanträgen zu begründen. Seine gesetzliche Grundlage findet der „Reha vor Rente“-Grundsatz in § 9 Abs. 1 SGB VI:
Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen wären.
Leistungen zur Teilhabe meint insbesondere medizinische Reha-Maßnahmen.
Der Grundsatz „Reha vor Rente“ basiert auf dem Gedanken, dass eine Rehabilitation dazu beitragen kann, die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wiederherzustellen oder zu verbessern. Die Rentenversicherungsträger möchten durch gezielte Rehabilitationsmaßnahmen die Betroffenen dabei unterstützen, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, bevor eine dauerhafte Erwerbsminderung und damit eine Rentenzahlung in Betracht gezogen wird. Dieser Ansatz dient vordergründig dem Wohl des Versicherten, tatsächlich aber vor allem der Entlastung der Sozialsysteme durch die Förderung der eigenständigen Existenzsicherung als Vorrang vor der Erwerbsminderungsrente.
Rentenversicherungsträger lehnen Erwerbsminderungsrenten-Anträge häufig ab, wenn der Antragsteller keine oder nur unzureichende (stationäre) Rehabilitationsmaßnahmen vorweisen kann. Dies gilt in besonderem Maße bei psychischen Erkrankungen.
Die Ablehnung mit Verweis auf "Reha vor Rente" bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Antragsteller nicht erwerbsgemindert ist, sondern vielmehr, dass – zumindest aus Sicht der Rentenversicherung - die Möglichkeit einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit noch nicht ausreichend ausgeschöpft wurde.
Der Grundsatz „Reha vor Rente“ gilt allerdings nicht ausnahmslos. Er gilt dann nicht, wenn
- ein Erfolg nicht erwartet werden kann oder
- der Versicherte aus gesundheitlichen bzw. behinderungsbedingte Gründe nicht reha-fähig ist.
Für beides sind die eigenen behandelnden Ärzte geeignete Ansprechpartner. Anhand der Behandlungsgeschichte können sie üblicherweise sehr gut einschätzen, ob eine Reha erfolgversprechend erscheint oder einer der Ausnahmefälle vorliegt.
Beide Ausnahmefälle begegnen in der Praxis auch immer wieder und häufiger als man meint. Während besonders bei jahrelang bestehenden, chronifizierten psychischen Krankheiten ist auch durch eine (erneute) medizinische Reha-Maßnahme oftmals keine nennenswerte Besserung mehr zu erwarten, ist bei akuten Krankheitsphasen, etwa einer schweren Episode einer rezidivierenden Depression, oder auch bei einer PTBS oft überhaupt keine Rehabilitationsfähigkeit vorhanden.
Eine Rentenablehnung unter Berufung auf den Grundsatz „Reha vor Rente“ ist dann rechtlich nicht möglich. Erfolgt sie dennoch, kann und sollte dringend der Rechtsweg mittels Widerspruch und gegebenenfalls Klage zum Sozialgericht beschritten werden, um die Gewährung der Erwerbsminderungsrente – auch ohne Rehabilitationsmaßnahme – durchsetzen zu können: „Rente statt Reha“!
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